Playfulness Tag 1
“Mir ist am wichtigsten, Medientheorie als Kulturtheorie zu sehen, denn egal, wie weit wir in der Kulturgeschichte unserer Spezies zurückgehen, ist Kultur immer Medienkultur – und zwar lange vor der Entwicklung von Massenmedien oder was auch immer. Aber das werde ich vielleicht im Zuge meiner Ausführungen noch deutlich machen können.
Um jetzt Phänomene der Gegenwart irgendwie festzumachen, sind wir gezwungen uns zu überlegen, nachzuschauen, was sich in der modernen Gesellschaft an Eigenformen entwickelt hat – und was jetzt irreversibel anders wird, bzw. anders werden wird. Dass es selbstverständlich durch die Herausforderungen und Anforderungen, die sich durch die quasi flächendeckende Informatisierung bzw. durch die Einführung des Computers jetzt für die Gesellschaft stellen, noch sehr, sehr lange dauern wird, bis wirklich die adäquate Kultur- und Strukturform gefunden wird, die wir erst jetzt rückblickend – man muss sich die langen Zeiträume vorstellen – mit einer gewissen Präzision in der modernen Gesellschaft überhaupt erst definieren können.
An den Anfang meiner Ausführungen habe ich – das könnte ein bisschen kompliziert werden – einen kleineren Konflikt gestellt, der in gewisser Weise im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts diese Denkrevolution noch einmal markiert hat.
Alles das, was sich von der Kybernetik her entwickelt hat[1], ist praktisch noch einmal im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts gewaltig upgegradet worden; und soweit man die Diskurse in den verschiedensten Bereichen der Wissenschaft (mehr oder weniger) verfolgen kann, haben diese theoretischen Orientierungen gewisse Diskurshoheit geschafft. Und natürlich wird man sich fragen müssen, inwieweit das produktiv ist, inwieweit man da weitermachen kann und wo man eventuell die Fluktuationen suchen wird, und so weiter.
Am Beginn meiner Ausführungen steht die Feststellung von Umberto Maturana in Hinblick auf Bewusstseinsangepasstheit. Das ist sehr wichtig, eine Sache der Kommunikation. Er nennt das “conservation of adaptation”, also die ständige Bewusstseinsangepasstheit der Kommunikation. Und bei der Frage was sichert das überhaupt – klarerweise: Sprache, Schrift und alle ihre technischen Folgeeinrichtungen – definieren sie damit den Freiraum dessen, was Maturana mit dem Begriff Autopoiesis geprägt hat, also den Freiraum der Autopoiesis, das Kommunikationssystem “Gesellschaft”. Niklas Luhmann hat bekanntlich gegen die Ansicht des Maturana und Varela[2] Kommunikation als eigenes autopoietisches System postuliert und sich also mithin für den Freiraum der Autopoiesis des Kommunikationssystems Gesellschaft ausgesprochen. Denn alles das, was wir beklagen – die diversen Themen, die heute bereits angeschnitten wurden -, ist natürlich immer auch ein Freiraum und Freiraum heißt auch Kontingenzen, heißt auch Risiken und Optionen. Ich komme darauf noch zurück.
“Kommunikationssystem Gesellschaft” meine ich also insofern immer, als dass sich klarerweise Gesellschaften – und jeder soziale Zusammenhang – immer nur über Kommunikationen formieren kann, das ist eine Grundvoraussetzung.
Und ich muss jetzt es auf Diverses abstellen, von dem ich mir wünschen würde, dass das die allgemeinen Vorinformationen sind, um überhaupt über ganz spezifische Phänomene in der Gegenwart sprechen zu können und um da eine gewisse Klarheit zu bekommen. Wobei ich dazu ergänzen muss, früher galt die Ansicht: “Wir können etwas über die Vergangenheit sagen, auch über die Gegenwart, nur nicht über die Zukunft”. Aber heute wissen wir längst – mit den Erfahrungen der modernen Gesellschaft – dass wir auch nicht wirklich etwas über die Gegenwart sagen können.
Um auf diese unterschiedlichen Positionen[3] – Maturana einerseits und die Konzeption von Luhmann auf der anderen Seite – näher einzugehen, dann ist der Vorschlag von Luhmann in gewisser Weise schlüssig, wenn man in Betracht zieht, dass die dauernde Koppelung kognitiver Systeme (das heißt dann “mentaler Systeme”, also “Bewusstseine”) auf den ständig wechselnden neuronalen Zuständen im je eigenen Nervensystem beruhen, für eine Kontinuität von Kommunikation – das heißt zugleich für die Formierung von Gesellschaft in Permanenz – eine ungenügende Basis abgeben würde.
Der permanente Prozess von Reduktion der kommunikativen Angebote, salopp formuliert, und die Optionen von Anschlussmöglichkeiten zur andauernden Fortsetzung der Kommunikation, erklärt sich überzeugend nur durch das Autopoiesis-Modell der sozialen Systeme der Gesellschaft.
In älteren Gesellschaften, in denen Kommunikationssituationen räumlich überschaubar waren, gab es ein entsprechend wenig ausdifferenziertes Mediensystem, denn im Falle fehlender räumlicher Distanz reicht ein unmittelbares Wahrnehmen von Wahrnehmungen.
Für die moderne Gesellschaft, die selbstverständlich eine weitaus komplexere Gesellschaft als alle Gesellschaften davor ist, und erst recht für die “next society”, wie das Peter F. Drucker formuliert hat[4], bedarf es zur beständigen Koppelung mentaler kommunikativer Systeme selbstverständlich effektivere Mittel als etwa in der modernen Gesellschaft. Aber keine noch so gesteigerte Raffinesse der Mittel zur Koppelung würde ausreichen, wenn es im Kommunikationssystem Gesellschaft nicht die basalen Aggregate der Kommunikation, nämlich die sogenannten symbolisch generalisierten Medien geben würde, wie: Arbeit, Geld, Liebe – die sogenannten symbolisch generalisierten Medien. Diese sind nicht technikgestützt, die Technik wird nicht dafür in Anspruch genommen.
Und jetzt ist es wichtig, den Begriff “Medium” in diesem Theorierahmen auch möglichst präzise zu definieren; und ganz simpel und formal gesagt, ist der Begriff “Medium” in diesem Theorierahmen als eine Menge nur lose gekoppelter Elemente definiert. Das ist ganz wichtig: nur lose gekoppelt. Ich werde darauf noch zurückkommen. Diese lose gekoppelten Elemente, die für die Formbildung zur Verfügung stehen – dafür: “Medien-Form-Relation” – es kann das eine nur ohne dem anderen geben. Die sogenannte öffentliche Meinung ist dafür ein gutes Beispiel – es ist ein Medium in diesem Sinne: locker gekoppelte Elemente. Ich werde auch das später noch präzisieren.
Das Differenzpaar Medium-Form muss also hier als ein zirkuläres rekursives Verhältnis verstanden werden, in dem Form (und das ist der springende Punkt, hier beginnen meist die Missverständnisse) anders als in der klassischen Formentheorie nicht als statische Gestalt verstanden werden darf, sondern als komplexer Zusammenhang, der vor allem durch Zeit definiert wird. Es geht immer um Cluster von Formen. Auch darauf werde ich später noch zurückkommen.
Radio und Television, beispielsweise, um kurz noch auf die moderne Gesellschaft abzustellen, sind also wie die Printmedien sogenannte klassische Medien. Diese werden auch als Weltmedien bezeichnet, insofern sie mittels der Erfahrung einer direkten technisch-medialen Koppelung eines mentalen kognitiven Systems indirekt – durch direkte Koppelung – Welt vermitteln und damit auch Anschluss an Welt gewährleisten.
An diesem Punkt möchte ich auch gleich festhalten, dass die Möglichkeiten von Anschluss an Welt – wenn wir bei der Formulierung bleiben – auch zum Freiraum der Autopoiesis des Kommunikationssystems Gesellschaft gehört und nicht bloß als Okkupationsterror auf unsere Sinnesorgane, auf unsere eigenen mentalen kognitiven Systeme, abgehandelt werden können.[5]
In herkömlicher Sichtweise sind sogenannte Massenmedien Repräsentationsmedien, mit deren Zeichenoperationen Welt – und zwar Welt alias Wirklichkeit – repräsentiert wird. Dieser Befund ignoriert allerdings die gegebenen Komplexitäten und trifft sich mit der Vorstellung von sogenannten naiven Realisten, die vermeinen, dass Welt als sozialer Zusammenhang gleichbedeutend mit Wirklichkeit einfach da sei.[6]
In Hinblick auf Kommunikationssituationen ohne räumlicher Distanz habe ich heute schon von einem unmittelbaren Wahrnehmen von Wahrnehmungen gesprochen. Sogenannte Ereignisse in der Welt, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart, sind uns jedoch vorrangig medial, also mittelbar, zugänglich. Im gewählten Theorierahmen wird der Wahrnehmende deshalb differenziert und der Begriff des Beobachters eingeführt, der selbstverständlich auch die Beobachterinnen einschließt. Aber ich finde es im Zusammenhang mit einem Terminus sehr peinlich, wenn man diese Gendervorlage in Anspruch nimmt – beim Terminus kann man nicht “-innen” hinzufügen, im Unterschied zur alltagssprachlichen Verwendung, bei der “-innen” dabeistehen muss. Der Terminus Beobachter ist aber nicht umgangssprachlich zu verstehen, sondern ist als Terminus entsprechend definiert. Also auf einer ganz basalen Ebene: es bedeutet, dass Beobachter ist, wer als Beobachter beobachtet wird. Das wäre die Auskunft der Second-Order Cybernetics, ich verweise hier an Heinz von Förster und Konsorten. Im Prinzip also … wir alle.
Beobachten ist also nur möglich in einem zirkulär rekursiven Netzwerk des Beobachtens von Beobachtungen, also nicht in der Form eines singulären spontanen subjektiven Akts.[7] Beobachten beruht also nicht auf besonderen Kompetenzen, nach dem Muster Vernunft-Verstand-Gefühl-Einbildungskraft-Wille – was nicht ausschließt, dass man auf dieser Beobachter-Definition in der Folge alles mögliche aufbauen kann. Beobachten ist – um das jetzt noch konkreter zu fassen – Bezeichnendes Unterscheiden. Das ist ganz wichtig für den Terminus. Und zur Selbstbegründung ist das natürlich eine wesentliche Voraussetzung – zur Selbstbegründung kommt eben nur Selbstbeobachtung in Betracht, in diesem zirkulären Verhältnis. Unsere Vorstellung vom Ich, unsere Vorstellung vom Selbst, unsere unmittelbare Umwelt – das alles kommt nur durch Selbstbeobachtung in Betracht – aber nur über diese zirkulären Prozesse.
Also: Um gleich mit GSB vorzugreifen – um zu erklären, worum es da geht: Ein Re-Entry der Unterscheidung in das Unterschiedene. Ein Wiedereintritt der Unterscheidung in das Unterschiedene. In einem rekursiven Netzwerk des Beobachtens von Beobachtungen[8] wird also laufend (und das ist ja der Anspruch von Gesellschaft, da darf es keine Pause geben) Kommunikation reproduziert und mithin Gesellschaft durch Relationieren von Relationen in Permanenz formiert. Man könnte auch präzisierend ergänzen: immer neu formiert. Es gibt überhaupt nichts Statisches.
Der Begriff der “Beobachtung” ist im gewählten Theorierahmen zwingend[9] sehr formal gefasst. Beobachtung heißt also hier jede Art von Operation, die eine Unterscheidung vollzieht, um deren eine Seite zu bezeichnen und nicht deren andere. Das ist der übliche Ausgangspunkt. (Das ist an dieser Stelle auch für uns wichtig festzuhalten, vor allem in Hinblick auf den Kern meiner Ausführungen. Das ist dann der zweite Teil.)
Mit der Erfordernis der Beobachtung, eine Unterscheidung – distinction – zu machen und damit eine Bezeichnung – indication – zu setzen, legen wir allerdings auch den Fortgang weiterer kognitiver Operationen fest. Denn mit der Abhängigkeit der Bezeichnung von einer[10] Unterscheidung ist die Bezeichnung selbst kontingent, auch wenn es den gleichen Namen haben würde. Mit einer anderen Unterscheidung bekäme das Bezeichnende einen anderen Sinn.[11] Wir reden also hier von einer Normalität im sogenannten real life, wie wir heute sagen, und es ist ja keineswegs alles so klar, wie wir uns das wünschen würden. Mehrheitlich haben wir es nämlich mit sogenannten Widersprüchen zu tun, aber auch nur mit “sogenannten” – mit Tautologien und Paradoxien, mit oft verwirrenden Medium-Form-Differenzen, mit Duplikationsvorgängen wie Codierung und Ego-Alter-Unterscheidungen[12] – also kurzum: mit Komplexitäten.
Bei all dem ist immer Kontingenz im Spiel. Die einfachste Definition von Kontingenz, salopp erklärt: Es ist so, könnte aber auch ganz anders sein. Die Modal-Formen der Kontingenz, die uns ja die Unmöglichkeit der Widerspruchsfreiheit vorführen – Paradoxien und so weiter – sind aber in unserer Sichtweise[13] unter der neueren avancierten Systemtheorie keine bösen Dämonen, sondern halten – mehr in Korrespondenz zu Maxwells gutem Dämon – einen Joker, wie Dirk Baecker sagt, bereit, der als Kontingenzsteigerung eben ein Mehr an überraschenden Möglichkeiten bedeutet. Mit Maxwell ist James Clerk Maxwell gemeint, der im 19. Jahrhundert die Gesetze der Elektrodynamik ausgearbeitet hat, die rein mathematischen Inhalts sind und aus komplizierten Differentialgleichungen bestehen. Seine nachgeborenen Fachkollegen und -kolleginnen attestieren ihm, mit seiner Forschung die spätere Radio- und Fernsehtechnik vorbereitet und teils schon die Kybernetik vorweggenommen zu haben.[14]
Videospiele und die frühen Computerspiele sind also entwicklungsgeschichtlich bedingt – wie wir wissen, man denke an deren Entstehung als Abfall der militärtechnologischen Forschung – auf das engste mit den abbildenden Simulationen der Wirklichkeit zur Prognose und Entscheidungsfindung von idealisierten linearen und regelhaften Prozessen verbunden. Das ist bei den heutigen Computerspielen schon ganz anders, Stichwort non-linear-gameplay – hier kommt also der Kontingenz, ungeachtet der technischen Wandlungen, bereits eine entscheidende Rolle zu.
Jetzt stelle ich noch einmal kurz auf die Massenmedien ab: Nach den historischen langen Prozessen einer die Gesellschaft umfassenden Umstellung auf eine primär an Funktionen organisierte Gesellschaftsdifferenzierung[15] verlangt es auch nach effektiveren Mitteln der Selektion von Kommunikation als in Gesellschaften davor – ganz klar, es gibt mehr Komplexität. Es geht in der modernen Gesellschaft also auch um Selektion eigener Operationen im systemischen Zusammenhang der Massenmedien nach der binären Codierung Information-Nichtinformation. Nach diesem Muster des Selbstregulativs konnte sich eine quasi letzte Beobachtungsperspektive begründen, die in den Massenmedien und der sogenannten öffentlichen Meinung – der Zusammenhang ist sehr wichtig – manifest wurde. Letzte Beobachtungsperspektive bedeutet ja keinesfalls, dass dann Standpunkten, Meinungen medialer Berichterstattung nicht widersprochen werden kann – natürlich nach Maßgabe der Möglichkeiten, versteht sich. Dafür sorgte schon die Kulturform[16] der modernen Gesellschaft, die die Buchkultur – also seit der Einführung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, dem Aufbruch der Aufklärung und so weiter – ausgebildet hat.
Die Kulturform der modernen Gesellschaft ist die Kritik.[17] Diese Kulturform der Kritik hat aber nicht – wie man meinen könnte – die Entwicklung der Gesellschaft behindert, sondern ganz im Gegenteil bilden sich unter Bedingungen gesellschaftlicher Hyperkomplexität immer neue strukturelle Arrangements und Prozessformen aus, die Inkonsistenz zu integrieren ermöglichen. Eben auf systemischem Weg. So hat der Kritiküberschuss wiederum zum Aufbau neuer Strukturen in der Gesellschaft beigetragen. Die Akzeptanz der Massenmedien in der modernen Gesellschaft, die mit ihren Zeichenoperationen als Repräsentationsmedien der Welt fungierten, resultierten nicht zuletzt aus der Einweg-Kommunikation – vom Sender zum Empfänger – und einem Publikum (bzw. irgendwann einmal einer Mehrheit des Publikums), dem man noch glauben machen konnte, dass Massenmedien die Einheit eines Textes festhalten, der für alle das selbe ist. Es verändern sich ja auch mit unseren neuen Umwelten rasant unsere Einstellungen und Sichtweisen und die Möglichkeiten, solche Einsichten zu ändern. Sowohl in Zeiten der Monopolisierung der Massenmedien – was Distribution von Information anlangt – als auch in der í„ra des Internets sind in einem dynamisch stabilen[18] Kommunikationsraum die Beobachtungen erster Ordnung – also jene der unmittelbaren Beobachtung – mit den Beobachtungen zweiter Ordnung – das heißt das Beobachten von Beobachtern und deren Beobachtungen bzw. Beschreibungen – in einem heterarchischen, also nicht-hierarchischen Zusammenhang zirkulär rekursiv verknüpft. Alle Beobachtungen sind somit sowohl Selbstbeobachtungen bzw. Selbstbeschreibungen der beteiligten mentalen kognitiven Systeme als auch Selbstbeobachtungen/-beschreibungen der Gesellschaft. Das zirkuläre Verhältnis von erster Ordnung und zweiter Ordnung macht das möglich. Ohne dem Formencluster dieser technischen-medialen Zeichenoperationen und Zeichenensembles Repräsentation in verschiedener Hinsicht (beispielsweise dialogischer Art) absprechen zu wollen, geht es aber bei den Inhalten der technisch-gestützten Medien nicht um Repräsentation einer universellen Wirklichkeit[19], sondern um Konstruktion bzw Produktion von sozialer Wirklichkeit in Permanenz.
Und – damit wir nichts wichtiges vergessen – geht es selbstverständlich immer, egal ob in Form von Kooperationen wie bei World of Warcraft, oder ob in Form von Auseinandersetzungen wie bei Warhammer – The Age of Reckoning[20], ganz nach dem kampfparadigmatischen Modell von Pierre Bourdieu um die verschiedenen Kapitalsorten der Gesellschaft. Das wollen wir nicht ausklammern.
Mit der Interaktivität, die es jetzt einem Kommunikanten erlaubt, sich praktisch “telemaschinell” etwa via Internet mit seinen eigenen Gesichtspunkten direkt in eine oft asynchrone Kommunikation zu involvieren, hat die Beobachtung zweiter Ordnung ein weiteres Abstraktionsniveau erreicht. Jetzt kann eine Kommunikation als temporales Objekt[21] verarbeitet werden, mit den Möglichkeiten von Co-Präsenz mehrerer Gesichtspunkte zugleich in einem Medium.[22] Wir können natürlich nicht alles sehen, aber immerhin. Und das alles zieht natürlich weitreichende Folgen für die Konstruktion von Wirklichkeiten mit sich.
Jetzt komme ich zum Kern meiner Ausführungen:
Mein Titel war in etwa “Selbstbeobachtung und die Formengebung von GSB”
Was der Terminus Beobachtung bedeutet, haben wir jetzt ungefähr abgeklärt, soweit es die Zeitvorgabe ermöglicht hat. Für jede Operation der Beobachtung gilt, nur in der Form der Differenz von Identität und Differenz ermitteln zu können.[23] Jede Beobachtung bzw Beschreibung von etwas ist demnach immer auch Selbstbeobachtung insofern, dass das Beobachtete nicht bezeichnet werden kann als das, was es ist[24], sondern dass jede Beobachtung nur an das anschließen kann, was sie selbst – nämlich die Beobachtung – als gegeben konstruiert.[25]
Was ist nun die Formidee von GSB. Wer oder was ist “GSB”?
(Gleich vorweg: Diese Formidee hat natürlich nichts mit der klassischen Formtheorie zu tun, wie bereits angesprochen, wo Form als statische Gestalt begriffen, und als gelungen/misslungen beurteilt wird.)
Die Formidee stammt von GSB: George Spencer Brown. Erst veröffentlicht unter dem Titel “Laws of Form” aus dem Jahre 1969, eine weitere Auflage: London 1971 und ein Neudruck: New York 1979.[26]
Jede rationale Operation beginnt mit einer Unterscheidung. Auch das Formenkalkül von George Spencer Brown beginnt mit der Anweisung: “Draw a Distinction” – also “Triff eine Unterscheidung”. Die Einführung einer Unterscheidung ist zu erst einmal die Einführung einer Form. Eine Form ist die Unterscheidung einer Innenseite des Unterschiedenen von einer Außenseite. Also: Das Sonstige. Als Beispiel: Das Sonstige kann das Medium sein. Also eine Menge nur lose gekoppelter Elemente, die für Formenbildung zur Verfügung stehen. Deshalb also die Medium-Form-Relation. Die Einführung jeder Unterscheidung ist aber selbst schon eine Unterscheidung. Durch gegebene Komplexitäten können wir uns simple Operationen nicht mehr leisten. Ein Schon-Begonnen-Haben kommt also vor jedem Beginnen, beginnt also mit einer Paradoxie. Das kann man bei Glenville und Varela schon 1981 nachlesen. Die Besonderheit von George Spencer Browns Formidee ist, dass die so gesehen verwirrende Ausgangslage die Entwicklung des Kalküls nicht einschränken kann, und mit Zunahme der Komplexität später sogar bereinigt werden kann.
Dieses “später” ist schon der Hinweis darauf, dass George Spencer Brown mit seinem Formenkalkül ganz im Gegensatz zur klassischen Formtheorie eine gleichermaßen – und das sind die Befunde aus der Fachwelt – radikale wie postontologische Thematisierung von Zeit zugrunde gelegt hat.
Der Quasi-Clou ist, dass in dieser Formidee zwei verschiedene Funktionen – das Unterscheiden und das Bezeichnen, distinction und indication – in einem Operator zusammengefasst sind. Das ist sein Modell. Zusammengefasst in der Art: Unterscheidendes bezeichnen, unter dem Faktor Zeit. Form wird hier als Markierung einer Unterscheidung verstanden, als eine Einheit mit zwei Seiten, wovon nur die eine bezeichnet wird und die andere unmarkiert bleiben muss – aber sie existiert in der Operation. Also: derjenige, der tut, weiß das sehr wohl – er ist sich bewusst “ich bezeichne die eine Seite, aber die andere Seite gibt es, die erstmal unmarkiert bleiben muss.”
Etwa weil das mit Form korrelierende Medium, als eine Menge nur lose gekoppelter Elemente, sich einer eindeutigen Bezeichnung entzieht. Als Beispiel sei hier die “Öffentliche Meinung” genannt.[27] Die Unterscheidung solcher Art ist also quasi unvollständig und operativ imperfekt. Es ist also ein Operieren in Bereichen selbsterzeugter Unbestimmtheit. Und dennoch entsteht Komplexität durch wiederholende Operationen, die rekursiv am selbst erzeugten Ausgangszustand anknüpfen und sich mit jeder weiteren Operation fortsetzen.[28]
Zeit wird dabei zur entscheidenden Variable und Unvorhersehbarkeit ist die mit Temporalisierung verbundene Folge einer Sequenz solcher Rekursionen. Genau da kommt der Dämon im Sinne von Maxwell ins Spiel. Oder, wie Dirk Baecker sagt: “Joker”, und ihr könnt da ohne weiteres an den Joker aus Batman denken, der an einer Stelle der Filmhandlung sagt: “Sehe ich so aus, als ob ich einen Plan hätte?”[29]
Während die Wiederholung der Operation das Bezeichnende kompensiert ohne etwas hinzuzufügen, gilt für die Wiederholung des crossing – das re-entry der Unterscheidung in das Unterschiedene; das heißt in dem Raum, in dem diese Unterscheidung etwas unterscheidet, der íœbergang zur anderen Seite – also genau das Gegenteil. Es kommt zu einer Formenanreicherung, zur Reflexion der Grenze und das Kalkül beginnt zwischen marked und unmarked space, also zwischen markiertem und nicht-markiertem Raum zu oszillieren.[30] Form fungiert hier also als Dispositiv eines Beobachters und als Regulativ für die Entscheidung, die Operation auf der einen Seite zu wiederholen, oder zur anderen Seite überzugehen.
Es geht mir um die Frage, ob das möglicherweise die neue Kulturform der nächsten Gesellschaft wird, wie sie Drucker bezeichnet hat – die next society. Der Kulturtheoretiker Dirk Baecker schreibt im Vorwort zu seinen “Studien zur nächsten Gesellschaft”, erschienen 2007, dass der Anstoß dazu von einer Stelle in Luhmanns “Die Gesellschaft der Gesellschaft” stammt. Luhmann vertritt da die eigentlich sehr spekulative These, dass die Gesellschaft die Einführung von Schrift, Buchdruck und Computer nur überlebt hat, weil es ihr gelungen ist, sogenannte Kulturformen des selektiven Umgangs mit dem durch die jeweils neuen Medien produzierten íœberschusssinn zu finden.[31] Luhmann hat seine These von der Kulturform im Singular – wo natürlich alles andere subsummiert wird, was es an unterschiedlichen Kulturformen gibt – einer Gesellschaft auf einen von allen Kommunikationsmedien produzierten íœberschusssinn bezogen. Also nicht nur auf Sprache, Schrift, Folgephänomene der Buchkultur wie TV usw., sondern auch auf die sogenannten symbolisch-generalisierten Kommunikationsmedien, wie eben Geld, Macht, Wahrheit, Liebe, usw. und deren nicht zu unterschätzender Faktor in Hinblick auf Funktion, auf Differenzierung, auf Struktur und Selbstvalidierung in der Gesellschaft, bei all diesen Prozessen ist also dieser Faktor der symbolisch generalisierten Medien mitzudenken.[32]
Die nächste Gesellschaft also, die Peter F. Drucker mit “next society” bezeichnet[33], beginnt auf die Einführung des Computers und die damit generierten neuen Umwelten zu reagieren.[34] Wenn wir rückblickend an die moderne Gesellschaft denken, stellt das natürlich eine Fülle von Troubles in Aussicht: Wenn man bedenkt, dass sich die nächste Gesellschaft – und wenn etwas fix ist, dann ist es das – in all ihren Formen der Verarbeitung von Sinn, ihren Ideologien, Theorien, Institutionen und Problemen gravierend von der modernen Gesellschaft unterscheiden wird. Wie also Veränderungen des modernen Denkens von vorgefundenen Wesensunterschieden auf Differenzierung – so erinnert auch Luhmann – eine semantische innovation gewesen ist, die um die Mitte des 19. Jahrhundert an Resonanz gewinnt[35], so werden die Formen des Beobachtens und Beschreibens in der next society mit Sicherheit wieder einen Wechsel in dem dramatischen Ausmaß vollziehen.
Vor allem wird man es, wie sich jetzt schon abzeichnet, vermehrt mit Nachbarschaftsverhältnissen zwischen heterogenen Ordnungen zu tun haben, denen es an jedem prästabiliertem Zusammenhang, an jeder übergreifenden Ordnung, an jedem übergeordneten Gesamtsinn fehlt, wie es Dirk Baecker formuliert hat.[36]
Die Formidee von George Spencer Brown, so meint Dirk Baecker, bezieht genau daraus ihren Sinn und ist seiner Ansicht nach der gegenwärtig aussichtsreichste Kandidat für eine neue Kulturform – das werden wir erst sehen.
Die jugendlichen Gamer, oder Player[37] beobachten und entwickeln schon jetzt Umgangsweisen in Korrelation mit ihren neuen Umwelten als Form im Sinne von George Spencer Brown. Komplexität entsteht dabei durch wiederholende Operationen, die rekursiv am selbst erzeugten Ausgangszustand anknüpfen und sich mit jeder weiteren Operation fortsetzen, ohne bei der Entscheidung von einer Seite fixiert zu sein – das ginge ja gar nicht, bei einem Rollenspiel muss man ja die ganze Zeit switchen. Nach wie vor involviern sich die Avatare, diese ganzen Substitute, in diese Spielhandlung.
Temporalisieren der Formen im Sinne des Formenkalküls bei George Spencer Brown ist hier unübersehbar, und das trifft nicht nur ausschließlich auf das Game-Setting zu. Und gerade deswegen evoziert es die These, dass das Game-Setting als temporalisiertes transitional object, also als upgrade der Winnicott’schen íœbergangsobjekts-Konzeption fungiert, womit sich die jugendlichen Gamer für die neue Kulturform der next society fit machen. Und jenseits aller pädagogischen Debatten – von denen ich hier Abstand halten möchte – die ja immer schon mit der Diskussion um Spiele verknüpft waren und sind, könnte das schon auch eine Erklärung für die rasante Expansion der Spielindustrie und der sogenannten Game-Welt sein. Da gibt es also offensichtlich einen dringenden Bedarf. Phänomene dieser Art lassen sich nicht einfach mit “Wir amüsieren uns zu Tode” abtun, das ist völlig oberflächlich. Das wäre die traditionelle Kulturkritik und Künstler sollten genau reflektieren und überlegen, ob es überhaupt Sinn macht, da mit so ausgehatschten Formen der Kulturkritik weiterzumachen.
Kritik wird nach wie vor, wird immer produktiv sein – auch in der neuen Gesellschaft. Aber selbstverständlich wird man andere Formen der Beobachtung und Beschreibung finden müssen und sollen.
Ich erkläre noch kurz das “íœbergangsobjekt”: Der Psychologe/Psychoanalytiker Winnicott hat transitional objects als íœbergangsobjekte Anfang der 1970er Jahre in den Diskurs gebracht, eigentlich im Zusammenhang mit der Entwicklung beim Kleinkind: Objekte – Spielzeuge, was auch immer – seien libidinös besetzt und sind damit “Einübung auf Welt”, also Einübung auf die wirkliche Welt in spielerischer Form.[38]
Interessant ist eben, dass der eingedeutsche Begriff “íœbergangsobjekt” Objekte meint, die auf der einen Seite eine analoge Hinweisfunktion als response cues haben, zum anderen aber Objekte der Handhabung[39] des Handelns zweier Seiten sind, die Akte des Wirkens ermöglichen. Das Kind sieht: Es passiert sehr wohl etwas, wenn ich mit dem Objekt etwas mache. Möglichkeiten der Handhabung und des Handelns, einerseits im real life, wie wir heute sagen, und andererseits in der gespielten Imagination, der Simulation oder was immer.”
Martin Pichlmair: Ich fühle mich jetzt als jugendlicher Gamer, andererseits fühle ich mich jetzt weniger jugendlich angesichts der Vorstellung, dass MUDs, die Vorgänger der MMOs, Anfang der 80er entstanden sind und wir uns insofern seit 28 Jahren auf diese neue Generation vorbereiten. Die Jugendlichen von damals sind jetzt sicher nicht mehr jung. Warum hat der Wechsel noch nicht stattgefunden?
Rakuschan: Wie ich gesagt habe, wir können nicht gut markieren, was nun die Schwelle der nächsten Gesellschaft ist. In der Regel wissen wir solche Sachen erst – das mag uns schockieren – 100 Jahre später, um es überhaupt einmal präzise angeben zu können. Da sieht man, was jetzt alles über die moderne Gesellschaft erarbeitet wird. Und genauso müssen wir auch sagen, dass das alles früher im Zusammenhang mit den neuen technologischen Möglichkeiten angefangen hat. Das läuft nicht ausschließlich digital ab, sondern schleifend, analog. Ich würde behaupten – das ist natürlich nur ein Aspekt – dass natürlich die Expansion (natürlich, die Industrie schaut, was geht) uns anzeigt, dass es da offensichtlich einen besonderen Bedarf gibt. Und jetzt abgesehen von all den Möglichkeiten, die es da gibt – Spiel als Trance -, das korrespondiert ja mit allen möglichen Ritualen, die praktisch irgendwie schon tradiert sind. Wenn man jung ist, liegt es näher, dass man sich solchen Experimenten mitunter aussetzt. Und sogesehen ist es jetzt vollkommen klar, dass man das nicht lediglich positiv konnotieren kann. Aber die Möglichkeit, sich auf die sogenannte next society einzustellen, ist es meines Erachtens schon. Man kann natürlich überlegen: ist das jetzt ein Exorzierplatz (wie auch immer man die Bezeichnung jetzt festlegen möchte), oder ist das praktisch ein Freiraum, in dem man sich entfalten kann. íœber das kann man sich fallweise streiten. Das lässt sich aber eher an den unterschiedlichen Biographien ablesen. In den anderen Generationen hat es auch Menschen gegeben, die Tag und Nacht Cartoons oder Comics gelesen haben – die sogenannten Gefahrenpotentiale sind klarerweise durch die extensiven Immersionsangebote intensiver geworden. Das kann man nicht ausblenden, das hat es selbstverständlich immer gegeben und das muss man zur Diskussion stellen, ganz klar.
Esel: Was angesichts der vielen Leute, die sich aufgrund des jungen Werthers umgebracht haben, nicht ganz tragbar ist – meiner Meinung nach.
Rakuschan: Die jungen Menschen trainieren da nichts, oder?
Esel: Ich denke schon, aber Immersion ist ein schwierigeres und größeres Thema…
Rakuschan: Ein gewisses Maß an Immersionsangeboten – das ist ja auch interessant in dieser Kultur: alle diese sogenannten simplen, frühen Spiele haben schon ein Archiv, nicht nur im Internet, sondern kehren wieder auf den iPhones oder was auch immer, als Optionen. Es geht darum, das wir das nicht alles nur als Terror sehen, sondern als Freiräume der sogenannten Autopoiesis Kommunikation.
Esel: Ich kann mir vorstellen, dass das Training sehr wohl stattfindet – wenn ich es richtig verstanden habe, ist deine Anerkennung der Multi-User Games, dass eine Präkonfiguration zur Verfügung gestellt wird, aber ich trotzdem mit Unbekannten spielen kann, am anderen Ende der Leitung sitzen Millionen Leute, die auch damit umgehen und diesen Freiraum nutzen. In den letzten Diskussionen hatten wir – zumindest ich – eher den Spin auf dieses Phänomen: “Naja, wir glauben zwar, dass uns das enpowert, aber in Wirklichkeit sammeln die blöden Facebooker unsere Daten, und wir sind schön blöd, wenn wir da mitmachen”.
Nach der Lesart ist es aber umgekehrt, weil ich zunehmend darauf trainiert bin, mir anzugewöhnen, dass ich ziemlich viel Freiraum habe, und eigentlich die Industrie – sei es die Game-Industrie oder zumindest die Hardware- und Netzwerkhersteller, zwingt, meinen Bedürfnissen, die ich mir durch das Spielen angewöhnt habe, zu entsprechen. Zum beispiel das iPhone jetzt: alle sind geil darauf und können sich in den Application-Stores alle möglichen tollen Applications runterladen. Was passiert aber: Es gibt trotzdem eine art Mainstream-íœberzeugung, dass das anders auch gehen könnte – google kommt und pusht auf Volldruck Android raus, wo eine open-source-Plattorm dahintersteht, aber google sich trotzdem damit wieder Marktführerschaft sichern kann. Trotzdem wird aber dieses eingeübte Einfordern von heterogener Kommunikation, Kommunikation ins Ungewisse, mit Verfügen-Können über die Tools, die mich strukturieren, dazu führen, dass dann nach google wieder etwas Neues kommt. Da sehe ich ein generelles Enpowerment-Potential, quasi auf der Konsumentenebene durch die Konvention, die eingeübt wird, denn die ist dann eine offenere als die bisherige – sag mir, Herr Papst, wie ichs denken soll – wenn ich das ein bisschen übertragen soll.
Aber ich tu mir schwer mit der anderen Seite dieser Form bei Spencer Brown. Denn dann kann ich es nur prozesshaft denken: es gibt ein Ungewisses und es gibt ein Disjunkt, das dazwischen vexiert, aber wieso ist diese Zeitfestsetzung so wichtig? Kann ich es damit besser beschreiben? Oder ist das ein Prozess?
Rakuschan: Mir geht es darum, dass wir nicht sagen, das sei zerlegt, aber natürlich geht es darum, dass wir diese Dualismen überwinden und klarerweise ist alles als Prozesse zu verstehen, natürlich auch die Objekte. Denn die Objekte sind ja wieder in Relationen eingebunden, in Kontexte, die wieder Prozesse sind. (Das ist jetzt kein Grund: wer gern Tafelbilder mag, macht auch Tafelbilder; und man darf nicht einfach sagen, “super Medienkünstler”, weil selbst die Formen, die da fixiert sind, werden in den Rezeptions- oder Diskursprozessen permanent verändert, weil es unterschiedliche Sichtweisen gibt.
Esel: Oder du bist Escher oder …
Rakuschan: Genau, das sind diese Vorführmodelle, die der Escher da macht.
Lydia Lindner: A propos Modell: Du hast gesagt, die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts verarbeitet das Denken, das hast du mir nahe gebracht. Dann hast du von der next society gesprochen, das habe ich auch ungefähr begriffen. Aber: die Gegenwart? Die jetztige Gesellschaft – von der Komplexität her konnte ich deinen Standpunkt nicht wahrnehmen.
Rakuschan: Wir sind an der Schwelle. Aber wenn jetzt schon davon die Rede ist, dass möglichweise das Kalakül soviel an Bedeutung gewinnt, dass es die Kulturform der nächsten Gesellschaft wird, dann ist es in gewisser Weise ein Befund unserer gegenwärtigen Situation. Aber sicher ist das ein Spiel mit Modellen. Wie gesagt, wie am Anfang angesprochen: Es war immer die Rede davon, wir wüssten etwas über die Vergangenheit und wir wüssten etwas über die Gegenwart. Aber wir können über die Gegenwart überhaupt nichts sagen. Wie wir heute sehen, wir brauchen irrsinnige Distanz um rückblickend etwas präzisieren zu können.
Dieser Anspruch an heterogene Nachbarschaftsverhältnisse, das als Normalität zu sehen – wenn man jetzt überlegt, auch in der modernen Gesellschaft, wenn wir jetzt unterscheiden mit Focault und der Disziplinar- und Kontrollgesellschaft, vor allem in der Disziplinargesellschaft, wo ja tatsächlich Soziogenesen ziemlich genau markiert waren, das existiert de facto heute in der Form nicht mehr. Wir haben also zunehmend mit diesen heterogenen Nachbarschaftsverhältnissen zu tun, oder mit der hohen Segmentierung in Szenen – wer sind die, wer ist das und so weiter. Aber das wird zur Normalität. Das beinhaltet auch das Formenkalkül von GSB. Dieses “unmarked”, das immer da ist. Es gibt immer die Möglichkeit zum Switchen.
Lydia Lindner: Du glaubst, dass es zu wenig selbstrekursiv ist?
Rakuschan: Nein, ganz im Gegenteil, das ist alles optimal. Im herkömlichen Denken entscheidet man sich, man muss sich klarerweise immer entscheiden: Prinzipiell – die eine Seite. Man hat sich entschieden für eine Seite, aber wir wissen ganz genau, ohne Spekulanten sind die Finanzmärkte uninteressant. Wir wissen das aber ganz genau. Es gibt immer auch eine andere Seite und wir müssen uns das bewusst halten. Also nicht mit diesen Dualismen argumentieren – Industrie ist böse, Kunst ist gut. Da gibt es unterschiedliche Bereiche und unterschiedliche Ansprüche, andere Kriterien und Wertpräferenzen und natürlich gibt es immer spezifisch eine Geschichte zu etwas.
Die Kunst kann sich ja nur aus Kunst reproduzieren und nicht aus irgendetwas anderem. Lassen wir die Subjekte auf der Seite. Die berühmten Filmemacher, Buchautoren erzählen von ihren frühen Erlebnissen mit Kunst.
Mathias Fuchs: Ich habe auch einen Kommentar zu Lydias Frage nach der Gegenwart und der Zukunft und dem was du “Einübung in die next society” nennst: Es gibt ja in den games studies die Idee, wo man sagt, Game ist eigentlich eine Einübung in die Current Society und nicht in die Next Society und zum Beispiel hat Reagan – der frühere US-Präsident – gemeint: “All this kids, who play space invaders now they will be later on good air-force-pilots.” Und er hat sich sehr gewundert, warum das nicht wirklich funktioniert hat. Und ähnliche Fehlschlüsse hat es von anderen Seiten her auch gegeben. Offenbar könnte man diese zwei Ansichten gegenüberstellen: Ist Gaming eine Einübung in die Gegenwart, oder ist es die Vorbereitung auf ein zukünftiges Dispositiv oder eine zukünftige Konstellation in der Gesellschaft. Da wollte ich dich nochmal fragen: Was heißt diese “Einübung auf eine next society” in deiner Sichtweise?
Rakuschan: Es ist so, dieses Zitat, das du angeführt hast, das beruht auf diesen typischen simplen Kausalitäten. Reagan hat gesagt: Super, die spielen das jetzt und werden später gute Soldaten. Das ist eben auch die Konsequenz der sogenannten Denkrevolutionen – sowas dürfen wir uns überhaupt nicht mehr leisten: Zweck-Mittel-Kausalitäten. Natürlich, es bleibt uns ja nichts anderes übrig, es müssen Strategien gesetzt werden. Man sieht jetzt die Reaktion der Politik und so weiter, welche Maßnahmen gemacht werden müssen – aber warum: weil sie etwas machen müsen und nicht, weil sie wissen, was richtig ist. Das ist absurd, das geht überhaupt nicht. Das heißt die gegebenen Komplexitäten lassen das überhaupt nicht mehr zu, egal, wer sich wie oder wodurch als Spezialist ausweist. Man kann nur – und jetzt sind wir wieder bei dem Begriff – in allen Bereichen mit Kalkülen arbeiten und sich überlegen, was geht auf und was geht nicht auf. Aber das wird meines Erachtens immer mehr Menschen, möglicherweise auch jungen Menschen, über den Zusammenhang der Spiele klar – wir decken ja das auf, dass da mit Kalkül gearbeitet wird. Natürlich ist das auch nur eine Rahmung, das ist technisch gerahmt, das ist nicht real life, ganz klar, ist eine Modellwelt – aber mit Zunahme der Komplexität der Spiele gibt es schon solche Möglichkeiten. Für mich sind die nicht einfach böse. Aber ich mag, das es KünstlerInnen gibt, die sich mit diesen Phänomenen auseinandersetzen, mit ihren Logiken der Kunst. Deshalb ist es für mich immer so schwierig, nachzuvollziehen, wenn davon die Rede ist: “wir machen das jetzt einfach, wurscht, ob es Kunst ist oder nicht”. Man muss sich ja auf etwas referieren, sonst treibt man die Segmentierung weiter voran, sogar mit eigenem Willen. Sonst wird es ja schwierig, Anschlüsse zu finden. Und mit Anschlüssen meine ich natürlich Kommunikationsanschlüsse an Diskurse. Aber ich verstehe es nicht, wenn man sagt “wir machen das halt einfach so” – naja, ok, ist schon gut, da ist ein Bedürfnis nach Spielen und nach Spaß und so weiter, aber in dem Moment wo wir in so einem Zusammenhang wie hier über das sprechen, stellt sich schon die Frage, für wen machen wir das. Natürlich wird die Vorstellung, dass Kunst-Machen etwas ist, wo sich jemand selbst verwirklicht…
Michal Wlodkowski: Das spricht an, was ich vorher gemeint habe. Aber das habe ich ganz anders gemeint und zwar geht es mir darum, dass es mir, wenn ich etwas mache, nicht wichtig ist, das in einem Kunstkontext zu realisieren. Wenn ich ein Spiel mache, mache ich das nicht primär für die Kunst, sondern ich mache das, weil es mir Spaß macht. Und ich glaube, es soll auch Spaß machen.
Rakuschan: Dagegen habe ich nichts einzuwenden.
Michal Wlodkowski: Mir geht es auch gar nicht um Spiele generell, sondern um das Produzieren. Ob ich meine Arbeiten im Kunstkontext platziere oder sie in einem wirtschaftlichen Kontext platziere, ist für mich quasi nebensächlich.
Rakuschan: Das ist ja deine eigene Entscheidung. Aber du kommst ja dann in der Kunstgeschichte nicht vor.
Michal Wlodkowski: Das muss ich ja nicht.
Mathias Fuchs: Das muss man schon, aber aus anderen Gründen…
Rakuschan: Oder nur als marginales Phänomen.
Esel: Dieses “dann eh vorkommen” ist ja das Hoffen darauf, dass diese Anschlüsse überhaupt gebildet werden. Vielleicht weil zum Beispiel Popkontexte als relevant vorkommen. Aber es ist in Bezug auf den Markt der schwerere Weg, weil du dir trotz direkter Auftraggeberverhältnisse, die es vielleicht gibt, deinen Freiraum rauskämpfen willst und musst – umgekehrt kann es auch leichter sein, weil mehr Geld im Spiel ist. Im Kunstkontext werden die Aspekte der “Selbstverwirklichung” viel mehr geschätzt und auch extra bezahlt, im Sinne von “wir wollen Prototyping, wir wollen die Experimentellen Kasperln und so”.
Rakuschan: Das Charakteristikum von Kunst ist der Selbstauftrag, von dem es ausgeht. Sonst würde ich sagen, ist es mit der Kunstproduktion schwierig.
Michal Wlodkowski: Ich wollte noch den Unterschied betonen zwischen Games und being playful – also dem spielerischen Zugang oder der Haltung zum Umgang mit Objekten, hier in diesem Zugang im Kontext mit technischen Objekten, mit Technik. Und diese Sachen muss man nicht unbedingt in einem Kunstkontext realisieren, wenngleich das oft mangels Alternativen geschieht. Wenn ich in einer Forschungsabteilung bei Sony arbeite, gibt es die finanziellen Mittel, dann kann ich daraus leben, dann kann ich meine Dinge entwickeln und herumspielen. Wenn ich keine solche Einrichtung, keinen solchen Background habe, bleibt mir oft nicht viel mehr übrig, als mich mit meinen Objekten in der Kunst zu platzieren.
Rakuschan: Das ist aber nur die Konsequenz. Angenommen wir sagen, “wir wollen ja gar nichts”, dann wird man selbstverständlich nicht den Aufwand auf sich nehmen, dann wird man nichts ablegen, man wird dann nichts ins Internet stellen, etc. Aber Tatsache ist: In allem was wir tun, handeln wir sinnorientiert. Wir produzieren keinen Sinn, wir funktionieren nach Sinnorientierungen die kulturell vorgegeben sind. Klarerweise wissen wir, dass das sehr wohl einen Sinn hat, hier zusammenzukommen und die Ergebnisse auch ins Internet zu stellen. Selbstverständlich macht das Sinn in Hinblick darauf, dass es auch kommuniziert wird und einen Anschluss geben kann.
Esel: Der Grund, warum die Medienkulturen, die sich nicht ganz sicher sind, wo sie eigentlich dazugehören, so sehr auf den Faktor Playfulness abstellen, einerseits weil es dieses befreiende Elixier hat, wie wir das bei Gordan Savicic schon hatten, andererseits auch eine Implikation auf die von dir geleistete Theorie in Hinblick auf dieses Sprechen mit offenen heterogenen Kommunikationsgegenübern.
Wo sich das ja auch so wunderschön zeigt ist dieser AppStore, wo die “I am rich”-Applikation veröffentlicht wurde, wo ein Kerl ein .jpg um den Maximalpreis von 999$ verkauft hat und noch immer sieben Dumme gefunden hat, die sich das gekauft haben. Das halte ich für ein großartiges Kunstwerk, ist aber ein rein kommerzielles Unterfangen, wo sein “Selbstauftrag” wirklich egal ist. Ich kann es von beiden Seiten lesen, auf der Konsumentenseite wird einfach nur messiert, auf der Künstler-Kontext-Seite ist es interessant.
Mathias Fuchs: Ich möchte auch gerne auf den Playfulness-Begriff eingehen, der da so über Fritz’ Kopf schwebt wie eine große Formel. Und ich glaube, dass man ihn entweder verstehen kann als ateleologisch, oder als anti-teleologisch. Das ist zum Teil das, worum diese Diskussion hier geht. Mic schlägt vor, Playfulness heißt: “ich lass die Sachen passieren, ich definiere sie nicht, ich mach das nicht als Opposition zu etwas anderem und lasse einfach geschehen.”
Ich glaube, dass Playfulness als Kulturstrategie oft anti-teleologisch ist, also dass ich sage, “bewusst wehre ich mich dagegen, dass etwas auf ein bestimmtes Ziel hin geprägt ist” – das ist aber intendiert. Das ist nicht ein “mir ist egal, was damit passiert”.
Rakuschan: Da fühle ich mich total missverstanden, Anti-Teleologie als philosophischer Begriff, der diese Vorstellung impliziert, dass alles für einen Zweck besteht – da gehe ich gar nicht mit. Evolution arbeitet mit Variation, Selektion und Re-Stabilisierung. Dem entkommen wir alle nicht, auch nicht in der Kommunikation, Strategien hin und her. Damit es da ja kein Missverständnis gibt. Aber wir stehen auf diese Unbestimmtheiten! Da sind die Joker, da sind die guten oder bösen Dämonen. Der Spaß an diesen Unbestimmtheiten – aber OK, mit denen muss man erst zurechtkommen. Die Unbestimmtheiten gehören, wie gesagt, für mich zu diesem Freiraum in der Kommunikation. Wenn man das in einem Autopoietischen Zusammenhang sieht. Wenn wir immer von der Subjektphilosophie ausgehen, “wir machen das und das und das” – klar, wir machen, weil wir müssen! Aber wie gesagt, evolutionäre Prozesse entscheiden, was passiert. Ich bin ja schon gespannt, was jetzt mit den Finanzmärkten passiert. Wir leben in einer spannenden Zeit…
[1] Selbstverständlich mit langen Vorläufen, jede Revolution ist eine Evolution…
[2] Der praktisch die Ansicht vertreten hat, dass er die Autopoiesis nur für biologische Systeme angewandt wissen wollte.
[3] Angeblich war das bei der letzten Transmediale auch eine größere Diskussion…
[4] Eine Gesellschaft nach der modernen Gesellschaft – an deren Schwelle wir heute schon stehen, wir wissen heute zwar noch nicht genau, an welchem Marker, aber auf alle Fälle stehen wir an deren Schwelle.
[5] Letzteres vielleicht als Beispiel für das Manko der traditionellen Kulturkritik bis heute, die auf einer Seite ansetzt und damit den Fortgang der Erklärungen, der Argumente, natürlich determiniert und damit praktisch die andere Seite auch negiert. Aber da tut sich auch einiges, da bedarf es einiges an Umdenken.
[6] Das ist eine Tatsache, mit der sich der radikale sogenannte Konstruktivismus mit allen bedenklichen Zusammenhängen auseinandergesetzt hat.
[7] Das ist jetzt interessant, das ist heute bereits angesprochen worden, wobei ich nicht weiß, ob ich das richtig verstanden habe. Also nicht im Anspruch der Sinn-und-Subjekt-Philosophie im Zusammenhang alteuropäischer philosophischer Vorstellungen.
[8] Wir reden jetzt nicht von Subjekten, die sind ohnehin dabei, aber das würde nur von den wesentlichen Vorgaben, worum es da geht, ablenken.
[9] Die Wissenschaft beschäftigt sich mit Funktionen und muss auf eine entsprechende Abstraktionsebene gehen, damit man da überhaupt auf einen grünen Zweig kommen kann.
[10] Wir haben das heute schon einmal angesprochen.
[11] Eine Frau, die im Publikum sitzt, hat das vorher ohnehin schon angesprochen: Wir haben zwar nur die Sprache, aber die semantischen Fallen lauern an allen Ecken und Enden, das ist beim Diskutieren dann immer schwierig.
[12] Wir müssen ja permanent switchen, wenn wir uns Gesellschaft vorstellen wollen, können wir nicht nur aus unserer Ego-Situation etwas betrachten, wir müssen permanent switchen – Ego-Alter. So funktioniert das auch mit der Selbstbeobachtung.
[13] Das wäre also das Theorie-Angebot, das ich gerne angenommen habe
[14] Wir reden jetzt vom 19. Jahrhundert und ich werde in der Folge noch einmal kurz anmerken, was so Wesentliches im 19. Jahrhundert passiert ist. Ich möchte aber gleich dazusagen, dass die Mehrheit der Menschen heute – und das sind auch Menschen, die im letzten Drittel des 20. Jahrhundert geboren wurden – teilweise in Denkkategorien, in Weltvorstellungen leben, die sich eigentlich schon im 19. Jahrhundert step-by-step aufgelöst haben. Das ist total schwierig, mir ist das vollkommen klar, weil die Umgangssprache ein permanentes Gewicht hat und somit etwas weiter-perpetuiert: Begriffe, Wörter, von denen wir vermeinen, dass sie ohnehin einen fixen Platz hätten.
[15] Das gibt es flächendeckend erst seit ungefähr etwas mehr als 200 Jahren.
[16] Wir übernehmen diesen Terminus jetzt im Singular, auch wenn wir wissen, dass es viele Kulturformen gibt.
[17] Das hat erst die Buchkultur ermöglicht: dass man Meinungen vergleicht, dass man widerspricht, dass man ein Buch als Widerrede auf ein anderes Buch schreibt, usw. und natürlich die entsprechende Verbreitung – da bedurfte es des Buchdrucks.
[18] dynamisch stabil – das heißt zugleich auch immer instabile Elemente
[19] Das ist eine Vorstellung, die aus den früheren homologen Weltvorstellungen stammt.
[20] Ich finde das interessant: “reckoning”, das heißt ja “rechnen”, “berechnen” – es führt also automatisch zu Kalkül, den Titel für das Spiel könnte Heinz von Förster erfunden haben. Es ist köstlich, dass so ein Spiel von den sogenannten “Gebildeten” oder denjenigen mit Kulturanspruch mit “So ein Scheiß, so ein Käse” abgetan wird – schon der Titel ist eine Sensation! Total auf den Punkt gebracht.
[21] Das ist klarerweise mehr als die Sichtweise eines Autors via Buch, bietet ganz andere Mobilitätsmöglichkeiten.
[22] Ganz klar: die großen Massenmedien, die es immer noch gibt, die sind de facto ausgehebelt – man muss sich nur anschauen, was in Printmedien zb vorkommt: ohne Gesichtspunkten von Leuten, die von der Profession her keine Journalisten sind. Das lässt sich schlichtweg nicht mehr ignorieren. Auch solche Standpunkte müssen auch in den Massenmedien kommuniziert und berichtet werden.
[23] Man muss immer wissen: wo sind die Möglichkeiten der Identität und wo sind die Unterschiede.
[24] Das war das Drama des 19. Jahrhunderts, dass man die Wesensunterschiede gesucht hat.
[25] Inzwischen merken das immer mehr Menschen, und dadurch wird die Kommunikation vielleicht komplizierter, aber die Möglichkeiten und Optionen werden – aus meiner Sichtweise – immer spannender.
[26] Interessant ist dabei anzumerken, dass ein renommierter deutscher Verlag sich nicht zur íœbersetzung dieses Werkes entschließen konnte, mit der Begründung, es mangle an Empfehlung namhafter Philosophen – sie haben es 1969 schlicht nicht verstanden. “Gesetz der Form” gibt es seit 1997 auf Deutsch. Berichten aus dem Ende der 1980er Jahre zufolge ist der Autor Mathematiker, Segelflieger und Sportreporter – also auch so eine Art Ludist.
[27] Die Bezeichnung “Öffentliche Meinung” oder “Community” ist schon ein gutes Beispiel dafür, das sind eben lose gekoppelte Elemente, man kann sie nicht eindeutig definieren. Klar, wir kennen das aus der Philosophie, wir jonglieren mit Begrifflichkeiten, die man unterschiedlich auslegen kann – aber natürlich sind das lose gekoppelte Elemente, die sich in Permanenz relationieren. Relationen, die sich in Permanenz relationieren.
[28] Das ist an sich nichts Sensationelles, das hat schon Piaget anhand der Entwicklung von Kleinkindern festgestellt, so laufen Lernenprozesse ab: Wo man angelangt ist, setzt man wieder an, und so setzen sich in Rekursionen alle möglichen Aspekte von Persönlichkeitsentwicklung fort.
[29]Auf den ersten Blick ist das totaler Blödsinn, aber in dieser Aussage steckt sehr viel an philosophischer Dimension. Der Joker ist natürlich keineswegs negativ, böse konnotiert, sondern es geht hier um íœberraschungen. Und wir wissen genau: Ohne den Joker wäre die ganze Batman-Geschichte sehr öd.
[30] Und das hat Heinz von Förster 1961 sofort verstanden, im Unterschied zu Philosophen.
[31] Es geht natürlich um die Ausbildung der Kulturform wie auch der adäquaten Strukturformen, das passiert selbstverständlich evolutionär – da setzt sich niemand zusammen, nicht die Finanzfachleute, nicht die Politiker, das wird alles nicht “erfunden”, sondern das entwickelt sich evolutionär.
[32] Das Problem in unserer “Szene”, in unserer “Community” ist, wie technische Medien gedacht werden. Ja klar ist die rede vom “User” und von Bezugnahme, aber das ist ja ein total komplexer Zusammenhang. Da gehts nicht nur um technisch gestützte Medien – weil ohne dem anderen würden technisch gestützte Medien selbstverständlich überhaupt nicht funktionieren, da könnte man ja nichts rezipieren, nichts dekodieren, usw. Man braucht die sogenannten kulturellen Codierungen, die in den eigenen Sozialisationsprozessen erworben sind, um mit dem ganzen überhaupt Umgang haben zu können.
[33] Das ist eigentlich die einzige Fixierung, auf die er sich einlässt, er spricht nicht von der “Risikogesellschaft” oder von “Wir amüsieren uns zu Tode” – das sind alles Teilaspekte. Meines Erachtens nach ist das sehr intelligent, einfach nur zu sagen: “Wir wissen einmal gar nichts, sagen einfach nur next society, wenn wir von der modernen Gesellschaft sprechen”.
[34] Diese Gesellschaft hat – wie heute schon angesprochen wurde -, auch die Findungsprozesse ihrer Kulturform und die adäquaten Strukturformen noch vor sich, das wird alles noch sehr lange dauern. Selbstredend hat diese Gesellschaft es noch vor sich, den selektiven Umgang von íœberschusssinn zu regulieren.
[35] Maxwell ist dafür auch ein Beispiel.
[36] Bereits jetzt gewöhnen wir uns daran, dass es das gibt.
[37] Wie auch immer das hier differenziert wird – das ist jetzt mein Befund, wenn man das komplexe Ausmaß bedenkt – Massive Multiplayer Online Roleplaying Game Settings, etc.
[38] Das hat natürlich alles mit Spielen und so weiter auch zu tun, das heißt die íœbergangsobjekte gibt es, auch wenn die Menschen erwachsen sind, in allen möglichen Varianten in der kultur überhaupt. An der Entwicklung des Kleinkindes und dem Spielzeug kann man natürlich ganz gut festmachen, was Winnicott mit íœbergangsobjekte bezeichnet hat.
[39] Das ist im Sinne von Ermächtigung, employ, wichtig.