Philip Leitner and trial&error
Philip Leitner: “Mein Name ist Philip Leitner. Ich beschäftige mich mit Fehlern, mit Software und Musik und den äußerst interessanten musikalischen Erfahrungen, die man durch Fehler machen kann. Dazu mache ich fehlerhafte Software, die ich dann auf der Bühne in ihrer ganzen Schönheit genieße, mit einem Programm, das beta_test heißt. Daraus entsteht elektro-instrumental-improvisierte Musik. Musiker erzeugen strange Geräusche mit diversen Instrumenten oder auch mit ihrer Stimme, ich sample diese dann.
Eine meiner Grundregeln ist, dass auf dem Computer keine Geräusche selbst erzeugt werden, sondern dass ich lediglich mit den Geräuschen, die außerhalb erzeugt werden, arbeiten kann. Die Eingabegeräte sind ein Monome, eine LED-Button-Matrix und ein BCF-2000, das ist eine Faderbox mit Motorfadern.”
Esel: “Diese Matrix durchläuft die ganze Loop-Struktur und die kannst du dann belegen?”
Philip Leitner: “Ja, in der Software ist ein Sequencer-Teil inkludiert, den ich aber momentan selten verwende – eher bei Minimal-Sets oder bei Clubsets. Wenn ich wirklich improvisiere, arbeite ich mit verschobenen Loops und ohne den Sequencer, ohne Triggering.
Beim Arbeiten damit muss ich mich vollkommen auf mein Gehör verlassen: Ich habe keine Visualisierung, keine Wellenform – dieses Instrument ist lediglich nach dem Gehör zu benutzen.”
Esel: “Wenn das System einmal für dich läuft, gibt es ja eigentlich keine Fehler mehr. Dann hast du ja die Grundregeln bestimmt, nach denen und in denen du agierst – du kannst dann quasi nur Zufälle zulassen, wo du flexibel sein kannst. Aber ein Fehler würde ja das System zum Absturz bringen?”
Philip Leitner: “Der Fehler kann auch in akustischer Form auftreten. Im Spielen ist der Fehler ja auch ein Geräusch, ein Klang, der aus dem Set herausschießt, der vielleicht etwas zerstört, der unkontrolliert und ungewollt ist. Dadurch, dass ich ja auch nachher in den Geräuschen nach Klängen suche, dass ich wirklich über diese Geräusche in sehr brutaler Form drüberfahre …”
Esel: “Du kannst ja jeden Fehler zu einem Teil des Sounds machen, dadurch, dass du ihn einfach wiederholst…”
Philip Leitner: “Genau, aber nicht nur durch Wiederholung. Ich glaube auch, dass man den Fehler dadurch einbaut, dass man auf ihn eingeht. Der Fehler ist ja auch ein wesentlicher Bestandteil der instrumentalen Improvisation. Ich kann ja auch nach einem Blues-Schema improvisieren – das ist dann halt nicht unbedingt freie Improvisation. Normalerweise lasse ich mich in einer instrumentalen Improvisation auch treiben, da lande ich ja auch in einem total harmonischen Teil in einem eigentlich disharmonischen Set oder umgekehrt. Das ist dann quasi ein Fehler, aber dieser Fehler ist nicht in dem Sinne ein Fehler – denn diese Wertigkeit gibt es dabei ja nicht: es gibt einen Moment und das kann ein inspirierender Moment sein oder es kann einfach in ein Schema passen. Ich denke, diese Unterbrechung von Schemen, von Entwicklungen ist ein wesentlicher Teil von Improvisation.”